- gibbssche Phasenregel
- gịbbssche Phasenregel,von J. W. Gibbs 1876 formulierte Aussage über die Anzahl f der thermodynamischen Freiheitsgrade (d. h. der frei verfügbaren intensiven Zustandsgrößen wie v. a. Druck, Temperatur und Zusammensetzung) eines thermodynamischen Systems, dessen P koexistierende Phasen und L chemische Komponenten sich im mechanischen, thermischen und chemischen Gleichgewicht befinden. Wird berücksichtigt, dass bei C möglichen unabhängigen chemischen Reaktionen die Zahl der chemisch unabhängigen Komponenten L zu K = L — C vermindert wird, so gilt f = 2 + K — P (in formaler Analogie zu der durch den eulerschen Polyedersatz gegebenen Anzahl f der Flächen eines Polyeders von K Kanten und P Ecken).Bei einem Einstoffsystem (K = 1) wie z. B. reinem Wasser kann bei Vorliegen einer einzigen Phase (P = 1) in dieser über Druck p und Temperatur T frei verfügt werden (f = 2); ein solches System bezeichnet man auch als divariant. Beim Gleichgewicht zweier Phasen (P = 2; z. B. Wasser und Dampf oder Eis und Dampf) kann nur noch eine Zustandsgröße willkürlich festgelegt werden (f = 1, univariantes System), z. B. die Temperatur (den Druck erhält man dann aus der Dampfdruck-, Sublimations- oder Schmelzkurve im zugehörigen p-T-Diagramm); alle drei Phasen (P = 3) können nur bei einer bestimmten Temperatur und einem bestimmten Druck, d. h. im Tripelpunkt des p-T-Diagramms, im Gleichgewicht sein (f = 0, invariantes System). - Bei einem Zweistoffsystem (K = 2) wie z. B. einem Gemisch aus Benzol und Naphthalin sind bei Vorliegen nur einer Phase (P = 1) Druck, Temperatur und Konzentration noch frei bestimmbar (f = 3). Existieren Dampf und Lösung nebeneinander, so kann man Konzentration und Temperatur vorgeben (f = 2), wobei sich ein bestimmter Druck zwangsläufig als Funktion dieser beiden Zustandsgrößen ergibt. Liegen drei Phasen, z. B. festes Naphthalin, Lösung und Dampf vor, so ist nur noch eine Größe frei wählbar, z. B. die Temperatur (f = 1); die Konzentration und der Druck, der gleich dem Dampfdruck sein muss, ergeben sich zwangsläufig als Funktionen der Temperatur. Das Gleichgewicht von vier Phasen (festes Naphthalin, festes Benzol, Lösung, Dampf) ist nur bei einer Konzentration, einem Druck und einer Temperatur möglich; dem Gleichgewichtszustand aller vier Phasen ist im Zustandsdiagramm des Systems der Quadrupelpunkt zugeordnet.
Universal-Lexikon. 2012.